Als erster Mensch hat er von Wissenschaftlern der TU Berlin seine komplette Lebens-Ökobilanz errechnen lassen und möchte diese bis zu seinem Tod ausgleichen.
Das Kompensationsprojekt basiert auf seinem Projekt Green Zero, in dessen Rahmen er ebenfalls eine ehemalige Bergwerksfläche im Ruhrgebiet renaturiert, um die Umweltkosten, die er im Laufe seines Lebens angehäuft hat, auszugleichen.
Bekanntester Kooperationspartner auf der Halde Westfalen wird die Drogeriemarktkette DM sein. In einer neuen Produktlinie wird DM in Kürze 14 umweltneutrale Artikel von der Zahncreme über WC-Papier bis zu Körperpflegemitteln anbieten. Diese werden so umweltverträglich hergestellt, wie es nach heutigen Standards möglich ist. „Trotzdem bleibt ein ökologischer Fußabdruck, den wir auf dieser Fläche kompensieren wollen“, beschreibt Gratzel die künftige Funktion der Halde und versichert: „Ihre bestehende Nutzung wird dadurch nicht angetastet.“ Spaziergänger, Mountainbiker und Gläubige auf dem Kreuzweg könnten auch weiterhin „auf dem eindrucksvollen Bauwerk“ ihren Aktivitäten nachgehen.
Bürgermeister Dr. Alexander Berger begrüßt die Entwicklung und sieht in ihr „eine große Chance für Ahlen und das Zechenumfeld.“ Nicht nur die Natur werde davon profitieren, auch für das Gewerbegebiet Zeche Westfalen dürften sich positive Effekte und „unternehmerisches Potenzial“ ergeben. So denkt Unternehmer Gratzel darüber nach, technologischen Startups den Standort schmackhaft zu machen, um hier „ein Labor für neue Technologien“ im Umweltschutz entstehen zu lassen.
„Einen guten Schub für die zukünftige Entwicklung“, sieht Mattias Harman, Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, mit dem neuen Haldeneigentümer und dessen Ideen auf das Zechenareal zukommen. Nicht weniger zuversichtlich gibt sich der Vorsitzende des Umweltausschusses, Frederik Werning. Selbst aufgewachsen im Schatten der Fördertürme, ist er sicher, dass die neuen Perspektiven gut ankommen werden bei den Menschen, die sich der Ahlener Bergbautradition verbunden fühlen: „Ich werde es gleich meinen Vater erzählen, der wird’s gut finden.“ Zufrieden ist ebenfalls die bisherige Eigentümerin, die RAG Montan Immobilien, mit Gratzel einen kompetenten Erwerber gefunden zu haben. „Vor zwei Jahren hatten wir den ersten Kontakt“, verrät Bereichsleiter Thomas Beermann. Man sei immer tiefer ins Gespräch kommen und von den Ideen des HeimatERBE-Gründers zunehmend angetan gewesen.
Für die fast vollständig aus der Bergaufsicht entlassene Halde stehen in nächster Zeit umfangreiche Untersuchungen an. Biologen und Ökologen werden mit beginnender Vegetationsperiode den Ist-Zustand erfassen. „Wie sehen Flora und Fauna aus, das wollen wir ganz genau kennenlernen“, so Gratzel. Erkennbar sei schon, dass es ein Eschensterben an der Haldennordseite gebe, „wogegen wir etwas tun wollen.“ Bergehalden seien im urbanen Umfeld häufig letzte Refugien für seltene Arten. Deswegen werde es auch „keine großen Baustellen“ geben. Alles, was an Maßnahmen kommen werde, soll „sukzessive und behutsam“ passieren.
Was ist „HeimatERBE“?
HeimatERBE ist ein Kompensationsprojekt für Unternehmen, die die nicht zu vermeidbaren Umweltkosten (ökologische Auswirkungen) ihrer Produkte oder Dienstleistung ausgleichen möchten. Zu diesem Zweck investieren sie in die ökologische Aufwertung degradierter Flächen aus ehemaliger Industrie- und Montannutzung in Deutschland – Neben der Halde Westfalen liegen zwei weitere Flächen in den Kreisen Unna und Recklinghausen. Durch die Renaturierung werden diese Flächen wiederbelebt. Gegründet wurde HeimatERBE von dem Umweltunternehmer Dirk Gratzel.
Was ist das Besondere an HeimatERBE?
Umweltneutrale Produkte: HeimatERBE ist das weltweit erste Kompensationsprojekt, das nicht nur klima- sondern umweltneutrale Produkte möglich macht: Statt lediglich die CO2-Bilanz eines Produktes wie bei anderen Projekten auszugleichen, werden bei diesem mehrdimensionalen Ansatz weitere Umweltauswirkungen, wie Treibhauseffekt, Ozonabbau, Versauerung der Böden, Sommersmog und Eutrophierung berücksichtigt und Biodiversität gefördert. Lokal und regional: Im Gegensatz zu anderen Kompensationsprojekten wird nicht an einem entfernten und abstrakten Ort im Globalen Süden ein Wald aufgeforstet, sondern die Natur in Deutschland gestärkt. Soziale Komponente: Dabei werden tote, abgesperrte Flächen wieder begeh- und nutzbar gemacht und können den Menschen als Naherholungsgebiete dienen.
Was ist die Vision von HeimatERBE?
Neues Zusammendenken von Ökologie und Ökonomie: Die Vision ist eine Wirtschaft, in der sich Ökonomie und Ökologie nicht widersprechen und in der die Natur als wertvollste ökonomische Ressource gilt. Umweltkosten werden direkt in die Bepreisung eines Produktes eingespeist, durch Kompensation neutralisiert und negative ökologische Auswirkungen eines Produktes nicht auf künftige Generationen abgewälzt. Umweltneutrale Produkte werden zum Wettbewerbsvorteil, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher sich für einen umweltneutralen Konsum entscheiden.